EuGH und Arbeitszeiterfassung – ein Update

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Vor fast einem Jahr hat der EuGH in einer vielbeachteten Entscheidung zum Thema Arbeitszeiterfassung Defizite aufgezeigt und dazu aufgefordert, Unternehmen auf die Einrichtung objektiver, verlässlicher und zugänglicher Systeme zur täglichen Arbeitszeiterfassung zu verpflichten. Bisher ist der deutsche Gesetzgeber nicht aktiv geworden, doch nun droht den Unternehmen dennoch Ungemach. Denn nunmehr hat – wenn auch aktuell „nur" in erster Instanz – das Arbeitsgericht Emden mit einer Entscheidung vom 20. Februar 2020 (2 Ca 94/19) deutlich gemacht, dass es – selbst ohne Vorgaben durch den deutschen Gesetzgeber – schon jetzt eine Verpflichtung für Arbeitgeber gibt, ein solches System einzurichten.

Hintergrund der Entscheidung

Unter Berücksichtigung der Darlegungs- und Beweislastregeln hat das Gericht festgestellt: Der Arbeitnehmer müsse in einer Streitsituation über Arbeitszeit und daraus resultierender Vergütung zunächst darlegen, an welchen Tagen er in welchem Zeitraum Arbeit geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers zur Arbeit bereitgehalten habe. Danach liegt es beim Arbeitgeber, sich hierzu zu äußern und darzulegen, welche Arbeiten er dem Arbeitnehmer zugewiesen habe und an welchen Tagen der Arbeitnehmer in welchem Zeitraum diesen Weisungen – ggf. nicht – nachgekommen sei. Kann er dies nicht, so gelten die Angaben des Arbeitnehmers als zugestanden.

Eine wesentliche Kernaussage aus dem Urteil ist, dass der Arbeitgeber gegen die gemäß Art. 31 Abs. 2 EU-Grundrechte-Charta (GrCh) bestehende Verpflichtung zur Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit des Klägers verstoßen habe. Folglich konnte der Arbeitgeber auch keine objektiven und verlässlichen Daten vorlegen, anhand derer sich die Arbeitszeiten des Klägers nachvollziehen ließen. Die vom Arbeitgeber als Nachweis vorgelegten Dokumente ließ das Arbeitsgericht nicht zu.

Das Gericht macht deutlich, dass die Verpflichtung zur Erfassung der Arbeitszeiten den Arbeitgeber aufgrund der unmittelbaren Anwendbarkeit von Art. 31 Abs. 2 GrCH treffe. Einer richtlinienkonformen Auslegung oder einer Umsetzung durch den deutschen Gesetzgeber bedarf es nicht.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden birgt für die Praxis erhebliche wirtschaftliche Risiken, denn sie macht deutlich, wie niedrig künftig die Hürden für Arbeitnehmer bei entsprechenden Vergütungsklagen sein dürften. Hierin steckt ein hohes finanzielles Risiko für jedes Unternehmen, das bisher kein entsprechendes System eingerichtet hat. Besondere Brisanz erhält dies auch vor dem Hintergrund der aktuell wachsenden Verbreitung von Tele-Arbeitsplätzen (sog. Home-Office) – viele Arbeitgeber haben hier im Zuge der COVID-19-Pandemie lösungsorientiert und pragmatisch den Arbeitsalltag neu strukturiert und sollten nun sicherstellen, auch hier der Zeiterfassungsthematik gerecht zu werden, um unnötige Risiken zu vermeiden.

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich auch Arbeitsschutzbehörden diese Entscheidung zu eigen machen und Bußgelder gegen Arbeitgeber bei Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz verhängen werden.

Fazit

Es besteht mit dieser Entscheidung – und sicherlich weiteren ihr folgenden Entscheidungen – für Unternehmen dringender Handlungs-bedarf, ein robustes System zur Arbeitszeiterfassung zu errichten.

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