EuGH Urteil: „Neue“ Regelungen zur Arbeitszeiterfassung

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Das heute veröffentlichte Urteil des Europäischen Gerichtshofes ergangen zu einer aus Spanien vorgelegten Frage (C-55/18), wird nachhaltige Auswirkungen auf die Arbeitszeiterfassung, ihre Notwendigkeit als solche wie auch die Einzelheiten, haben.

Folgt man den Ausführungen des Gerichts ist zusammenfassend festzuhalten:

  • Arbeitgeber in der EU sind verpflichtet, die Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter komplett zu erfassen.
  • Alle Unternehmen in Deutschland müssen künftig Systeme einrichten, die die Arbeitszeit aller ihrer Mitarbeiter (unabhängig davon, ob im Innen- oder Außendienst beschäftigt, in der Produktion wie in der Verwaltung) penibel erfassen.
  • Wer abends berufliche Telefonate führt oder E-Mails bearbeitet, der arbeitet. Derartige Tätigkeiten müssen streng genommen nun ebenfalls als Arbeitszeit erfasst werden.

Der deutsche Gesetzgeber wird sehr schnell entsprechende Regelungen zu diesen Punkten auf den Weg bringen müssen. Mit welchen genauen Vorgaben deutsche Arbeitgeber im Detail rechnen müssen, ist noch unklar. Die Aufstellung von Regeln, wie die Arbeitszeit erfasst werden soll, bleibt nach dem Urteil den Mitgliedsstaaten überlassen.

HINTERGRUND

Der EuGH hat in der Rechtssache C-55/18 ausgeführt, „dass das Recht eines jeden Arbeitnehmers auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit und auf tägliche und wöchentliche Ruhezeiten nicht nur eine Regel des Sozialrechts der Union ist,..., sondern auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta, ..., ausdrücklich verbürgt ist". Die „Harmonisierung der Arbeitszeitgestaltung auf der Ebene der Europäischen Union bezweckt, einen besseren Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer durch die Gewährung von – u. a. täglichen und wöchentlichen – Mindestruhezeiten und angemessenen Ruhepausen zu gewährleisten sowie eine Obergrenze für die wöchentliche Arbeitszeit vorzusehen." Weiter müssten die Mitgliedsstaaten „sicherstellen, dass die praktische Wirksamkeit dieser Rechte in vollem Umfang gewährleistet wird, indem ihnen tatsächlich die täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten und die Obergrenze für die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit, die in dieser Richtlinie festgesetzt sind, zugutekommen."

Zwar sieht das deutsche Arbeitszeitrecht vor, dass idR nur die über 8 Std. hinausgehende Arbeitszeit minutiös erfasst werden muss. Der EuGH hat dieses aber eher kritisch bis unzureichend gesehen, wenn er weiter urteilt, „Im Übrigen ist es ohne ein System, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, für einen Arbeitnehmer ebenso schwierig oder gar praktisch unmöglich, die tatsächliche Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeit – unabhängig von deren Dauer – sicherzustellen", denn die „...Verpflichtung, nur die geleisteten Überstunden zu erfassen, bietet den Arbeitnehmern daher kein wirksames Mittel, mit dem zum einen gewährleistet werden kann, dass die von der Richtlinie 2003/88 festgelegte wöchentliche Höchstarbeitszeit, die die Überstunden einschließt, nicht überschritten wird, und zum anderen, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen täglichen und wöchentlichen Mindestruhezeiten in jedem Fall eingehalten werden." Daraus folge, dass es „...ohne ein System, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann, keine Garantie dafür gibt, dass die tatsächliche Beachtung des von der Richtlinie 2003/88 verliehenen Rechts auf eine Begrenzung der Höchstarbeitszeit sowie auf Mindestruhezeiten den Arbeitnehmern vollständig gewährleistet wird, da sie dem Arbeitgeber einen Spielraum lässt." (Hervorhebung hinzugefügt).

Das Gericht spricht sich also für „...die Einrichtung eines objektiven, verlässlichen und zugänglichen Systems, mit dem die von einem jeden Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden kann." (Hervorhebung hinzugefügt) aus und dass es die Verpflichtung der Mitgliedstaaten ist, hierfür die entsprechende rechtliche Grundlage zu schaffen. Weiter fordert der EuGH, dass nationale Gerichte „sämtliche nationalen Rechtsnormen berücksichtigen und die im nationalen Recht anerkannten Auslegungsmethoden anwenden (müssten), um seine Auslegung so weit wie möglich am Wortlaut und Zweck der fraglichen Richtlinie auszurichten" und „...eine gefestigte Rechtsprechung gegebenenfalls abzuändern (habe), wenn sie auf einer Auslegung des nationalen Rechts beruht, die mit den Zielen einer Richtlinie unvereinbar ist...".

Ihre Ansprechpartner im Team Arbeitsrecht stehen für Fragen gern zur Verfügung.

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