Zum 01.01.2015 ist das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz - MiLoG) in Kraft getreten.
Kern des MiLoG ist die Regelung, nach der der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (nachfolgend „Arbeitnehmer") ab dem 1. Januar 2015 brutto EUR 8,50 je Zeitstunde beträgt.
Die wichtigsten Fragen im Zusammenhang mit dem MiLoG beantwortet Ihnen nachfolgend unser Partner bei TIGGES Rechtsanwälte und Spezialist für Arbeitsrecht, Herr Rechtsanwalt Daniel Lüdemann, LL.M.
1. Auf wen ist das MiLoG anwendbar?
Grundsätzlich erfasst das MiLoG Arbeitnehmer und Praktikanten, sofern keine Ausnahmen im MiLoG vorgesehen sind.
Vom MiLoG erfasst werden insbesondere auch die sogenannten „Mini-Jobber". Das bedeutet, dass auch diese Arbeitnehmergruppe zukünftig mindestens EUR 8,50 /Stunde verdienen muss. Bei einer Lohn-Obergrenze von EUR 450,00 / Monat ergibt sich mithin zukünftig für "Mini-Jobber" eine maximale Arbeitszeit von 52 Stunden / Monat. Erfasst werden neben Arbeitnehmern und "Mini-Jobbern" unter anderem auch Werkstudenten, Teilzeit- und befristet Beschäftigte, Leiharbeitnehmer sowie insbesondere nur vorübergehend in Deutschland Beschäftigte, auch wenn der Sitz des Arbeitgebers im Ausland ist.
Nicht erfasst werden Geschäftsführer, Vorstände sowie Selbstständige, die über einen freien Dienst- oder Werkvertrag beschäftigt werden. Nicht anwendbar ist das MiLoG weiterhin insbesondere auch auf Auszubildende und Volontäre.
Nicht anwendbar ist das MiLoG schließlich auf Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie auf Langzeitarbeitslose in den ersten 6 Monaten der Beschäftigung.
Für Praktikanten gilt das MiLoG eingeschränkt.
2. Wie berechnet sich der zu zahlende Mindeststundenlohn?
Der Höhe des Mindestlohns liegt die Überlegung zu Grunde, dass ein alleinstehender Vollzeitbeschäftigter mit einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit ein Monatseinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze des § 850 c Abs. 1 ZPO erreichen soll. Die Pfändungsfreigrenze liegt derzeit bei EUR 1.045,00. Bei EUR 8,50 /Zeitstunde sowie 170 Arbeitsstunden im Monat erhält ein Arbeitnehmer brutto EUR 1.445,00. Daraus errechnet sich ein monatliches Nettoeinkommen eines solchen Arbeitnehmers in Höhe von EUR 1.060,00, mithin ein Nettoeinkommen oberhalb der Pfändungsfreigrenze.
Der Mindestlohn muss nach der gesetzlichen Vorgabe „pro Zeitstunde" bezahlt werden.
Diese Regelung wirft einige Fragen auf.
a. Ist es zukünftig erlaubt, unterschiedliche Stundensätze zu bezahlen, sofern diese teilweise unter EUR 8,50 liegen?
Es stellt sich zunächst die Frage, ob es zukünftig erlaubt sein wird, unterschiedliche Stundensätze zu bezahlen, sofern sich insgesamt am Ende des Fälligkeitszeitraums ein Monatseinkommen in Höhe des Mindestlohns ergibt. Dies ist nach meiner Ansicht zu bejahen, da der Arbeitgeber gem. § 2 Abs. 1 MiLoG verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer den Mindestlohn zum Zeitpunkt der vereinbarten Fälligkeit, spätestens am letzten Bankarbeitstag des Monats, zu zahlen.
b. Sind zukünftig andere Vergütungsformen neben der Bezahlung „je Zeitstunde" zulässig?
Des Weiteren stellt sich die Frage, ob andere Vergütungsformen (Naturallohn, oder nach anderen Zeitabschnitten berechneter Zeitlohn) weiterhin erlaubt sind.
Auch dies ist nach meiner Ansicht der Fall, so dass zukünftig, insbesondere auch Stück- oder Akkordlöhne weiterhin zulässig sein sollten, vorausgesetzt sie erreichen zum Fälligkeitszeitpunkt insgesamt den Mindestlohn bezogen auf die abgeleistete Arbeitszeit. So müssen beispielsweise Monats- oder Jahreslöhne auf die abgeleistete Arbeitszeit umgerechnet werden. Angesichts der Tatsache, dass der Mindestlohn spätestens am Ende des auf die Arbeitsleistung folgenden Monats bezahlt werden muss, ist der späteste Zeitpunkt, in dem der auf die gearbeitete Stundenanzahl bezogene Mindestlohn erreicht werden muss, der letzte Tag des auf die erbrachte Arbeitsleistung folgenden Monats (Zweimonatsrhythmus). Etwas anderes gilt nur für Arbeitnehmer mit denen die Führung eines Arbeitszeitkontos vereinbart ist. Hier muss das Mindestlohnniveau spätestens innerhalb von 12 Kalendermonaten erreicht sein bzw. das Zeitkonto durch bezahlte Freizeitgewährung ausgeglichen werden.
c. Sind zukünftig noch Stück-, Leistungs- oder Akkordlöhne zulässig?
Stücklöhne, Leistungslohn und Akkordlöhne sind in Zeiteinheiten umzurechnen, um damit zu ermitteln, ob der auf eine Zeitstunde gemessene Mindestentgeltsatz erreicht wird. Dasselbe gilt für Provisionen, wobei an dieser Stelle der nicht zu ändernde 2-Monats-Zeitraum sehr knapp bemessen sein wird.
d. Können Trinkgelder, beispielsweise in der Gastronomie, auf den Mindestlohn angerechnet werden?
Trinkgelder stellen mangels anderweitiger vertraglicher Vereinbarung kein Arbeitsentgelt in Form eines Sachbezuges dar, wenn und soweit ein Dritter das Trinkgeld dem Arbeitnehmer ohne rechtliche Verpflichtung zusätzlich zu der geschuldeten Leistung bezahlt. Trinkgelder können deswegen grundsätzlich nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Eine gesonderte Vereinbarung erscheint an dieser Stelle möglich, wobei jedoch zu beachten ist, dass, sofern Trinkgelder in den Mindestlohn mit einbezogen werden sollen, diese auch zu versteuern wären.
e. Dürfen Sachbezüge auf den Mindestlohn angerechnet werden?
Momentan nicht möglich ist die Ersetzung des Mindestlohns als Geldbetrag durch Sachbezüge. Dies ist nach dem Wortlaut des § 1 MiLoG ausgeschlossen („auf Zahlung eines Arbeitsentgelts" von „8,50 Euro je Zeitstunde"). Überdies ist eine Sachbezugsanrechnung auf den Mindestlohn auch deswegen ausgeschlossen, weil der unpfändbare Teil des Arbeitseinkommens in Geld ausbezahlt werden muss und der Mindestlohn sich, wie oben gesagt, an der Pfändungsfreigrenze orientiert.
f. Dürfen Sonderzulagen oder Erschwerniszulagen auf den Mindestlohn angerechnet werden?
Angerechnet werden dürfen jedoch anderweitige Zahlungen, wie Sonderzulagen und Erschwerniszulagen, sofern diese davon abhängen, dass die „übliche Arbeit" erbracht wird. Leistungs- und Qualitätsprämien, die davon abhängen, dass die geschuldete Arbeitsleistung besonders gut erbracht wird, sind nicht berücksichtigungsfähig, weil sie eine über das normale Maß hinausgehende Arbeitsleistung vergüten und auch nicht verlässlich das Mindestlohnniveau sichern können.
g. Dürfen Urlaubs- und Weihnachtgeld auf den Mindestlohn angerechnet werden?
Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld können nicht angerechnet werden, weil der Leistungszweck nicht die Vergütung von Arbeitsleistung ist.
3. Kann der Mindeststundenlohn vertraglich ausgeschlossen werden?
Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, sind insoweit unwirksam.
Das bedeutet, dass beispielsweise ein Arbeitsvertrag, der eine niedrigere Zahlung als die des Mindestlohnes voraussieht, nicht vollständig unwirksam ist. Vielmehr ist nur die Lohnabrede unwirksam, so dass letztendlich ein Arbeitsvertrag besteht mit einem Lohnanspruch in Höhe des Mindestlohnes.
Sofern ein Lohn unterhalb des Mindestlohnes vereinbart wurde und dieser Lohn im Verhältnis zu der üblichen Vergütung als sittenwidrig zu bezeichnen ist, hat der Arbeitnehmer sogar Anspruch auf den üblichen Lohn.
Beispiel:
Herr Müller ist als kaufmännischer Angestellter tätig. Der übliche Lohn beträgt EUR 14,00, im Arbeitsvertrag sind nur EUR 8,00 vereinbart.
Lösung:
Da die Vergütung des Herrn Müller mit EUR 8,00 zu den üblichen EUR 14,00 sittenwidrig niedrig ist, hat Herr Müller Anspruch auf den üblichen Lohn in Höhe von EUR 14,00, nicht nur auf die EUR 8,50 Mindestlohn.
4. Mindestlohn und Arbeitszeit
Der Mindestlohn ist geschuldet „je Zeitstunde".
Hierzu zählen auch Arbeitsbereitschaft (z.B. Standzeiten im Taxigewerbe) oder Bereitschaftsdienst sowie Ruhezeiten im Transportbereich. Nicht dazu zählt Rufbereitschaft.
5. Haftet der Auftraggeber bei der Beauftragung Dritter für Verstöße des Dritten gegen das MiLoG?
Ein besonders zu beachtender Punkt ist die Haftung des Auftraggebers von Werk- oder Dienstleistungen.
Gemäß § 13 MiLoG gilt § 14 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes entsprechend.
Daraus folgt, dass der Auftraggeber von Werk- oder Dienstleistungen verschuldensunabhängig für Verstöße durch von ihm beauftragten Unternehmern und dessen Subunternehmern haftet.
An dieser Stelle kann gar nicht klar genug darauf hingewiesen werden, dass die Haftung verschuldensunabhängig besteht und zwar nicht nur für Verstöße des durch den Auftraggeber beauftragten Generalunternehmers, sondern ausdrücklich auch für dessen Subunternehmer.
Zumindest muss zum momentanen Zeitpunkt davon ausgegangen werden, dass im Hinblick auf die Entscheidungen des BAG zu Haftungsfragen aus dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz eine solche verschärfte Haftung besteht.
6. Fazit
• Die Bundesregierung hat mit der Einführung des MiLoG einen ernsthaften Versuch unternommen, einen flächendeckenden, nicht zu umgehenden, Mindestlohn in Deutschland einzuführen.
• Gleichwohl bleiben auf arbeitsvertraglicher Ebene noch Gestaltungsmöglichkeiten, um die Auswirkungen des Mindestlohns auf das derzeitige Lohnniveau, welches in bestimmten Branchen (Gastronomie, Taxigewerbe, einfache Arbeiten im gewerblichen Bereich etc.) derzeit unter den vorgegebenen EUR 8,50 liegt, zumindest abzumildern, idealerweise zu kompensieren.
• Eine einfache Verlagerung von Arbeitnehmern in ausländische Gesellschaften löst das Problem des Mindestlohns nicht verlässlich. Insbesondere in Bezug auf die Haftung des in Deutschland sitzenden Auftraggebers ist eine entsprechende Gestaltung höchst gefährlich.
• Sofern Gestaltungsmöglichkeiten bestehen, sind diese ausschließlich auf arbeitsvertraglicher Ebene zu finden.
• Im Endeffekt ist eine individuelle Prüfung der betrieblichen Gegebenheiten notwendig, weil eine generelle oder branchenspezifische Lösung der Gestaltung von Arbeitsverträgen nicht besteht.
• Schließlich besteht die Haftung des Unternehmers für die gesamte Nachunternehmerkette grundsätzlich verschuldensunabhängig, was einen Unternehmer, insbesondere sofern dieser sich Subunternehmern im Ausland bedient, dazu veranlassen sollte, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
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Rechtsanwalt Michael Niermann
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